Gibt es etwas, was Sie hier am Institut vermissen?
Einen schöneren Kaffeeraum! In Göttingen gab es fast jeden Tag um 10.00 Uhr eine Kaffeepause im Sekretariat für die Mitarbeiter. Das war der ideale Info-Pool, man hat mit den anderen Dozenten über Literatur, Filme gesprochen, aber auch über Dinge, die im Institut anstehen. Auch für Studenten gab es eine Ecke, wo man sich mal einen Tee machen und einfach eine Viertelstunde Pause machen konnte.
Sie haben neben München, Göttingen und Teheran auch in Jerusalem studiert. Hat das Studium in Jerusalem Ihren Blick auf den Nahen und Mittleren Osten verändert?
Auf jeden Fall. Es stimmt, dass man gerade bei unseren Fächern manchmal einen recht vorbelasteten Blick auf den Konflikt hat. Wenn man unten ist und das von einer anderen Perspektive wahrnimmt, werden viele Dinge relativiert, Ansprüche oder Ängste, die ja auf beiden Seiten existieren.
Ich glaube, dass es, wenn sich Leute mit dem Nahostkonflikt beschäftigen, eine unbedingte Voraussetzung ist, beide Seiten kennen zu lernen. Sowohl in die palästinensischen Gebiete zu fahren als auch nach Israel. Und das betrifft auch die Sprache. Denn es sind schließlich zwei Parteien, die da im Clinch liegen.
Sie haben sich für eine wissen-schaftliche Tätigkeit entschieden. Warum?
Eine Tätigkeit an der Universität war schon immer mein Traum. Die Kombination von Lehre, Organisatorischem und wissenschaftlicher Arbeit ist in diesem Bereich wirklich ideal.
Es gab aber durchaus andere Berufsfelder, die mich gereizt hätten, zum Beispiel im Journalismus oder auch bei Kultureinrichtungen, Stiftungen oder internationalen Organisationen.
Sie waren früher auch journalistisch tätig. Welche Rolle kommt dem Journa-lismus in Bezug auf die arabische Welt zu?
Ich glaube, dass dem Journalismus eine ganz zentrale Rolle zu-kommt, denn das ist im Grunde die Aufklärung, mit der man die Leute in der Masse erreicht.
Nun ist es natürlich auch so, dass Auslandsrundfunkanstalten zum Teil viel zu große Gebiete abdecken müssen. Da fehlen die Mittel, um wirklich fundiert in die einzelnen Länder hinein-gehen zu können. Das ist ein Strukturproblem der journalistischen Einrichtungen. Dazu kommt, denke ich, dass Journalisten einfach zu schlecht informiert sind, wenn sie von dort berichten.
Und wie können Arabisten und Orientalisten ihr Wissen nach außen tragen?
Früher war das Fach Arabistik oder Islamwissenschaft ein Fach, das sich in den Elfenbeinturm verkriechen konnte – das geht heute nicht mehr. Die wissenschaftliche Verantwortung muss über den universitären Kreis hinausgetragen werden. Dafür muss die Universität selbst etwas tun, durch öffentliche Vorträge, Zusammenarbeit mit Journalisten oder anderen Institutionen. Die Universität darf sich aber nicht als moderner Informationsdienst verstehen, das fände ich ebenso fatal. Unser Fach ist immer noch eine Geisteswissenschaft mit freiem Forschungsanspruch.
Was planen Sie für Ihre berufliche Zukunft? In welche Richtung wollen Sie forschen?
Im Moment habe ich eine Richtung für die Habilitation; ich möchte gerne zum schiitischen Hadith arbeiten, das ist ziemlich unerforscht. Mich interessiert die Verbindung zwischen klassischem Hadith und den aktuellen Diskussionen im Iran. Zusätzlich muss ich Vorträge halten und Artikel publizieren. Da habe ich eine Reihe von Ideen, die sich weitgehend klassischen Themen zuwenden. Zum Beispiel möchte ich gerne eine Handschrift edieren.
Jetzt mal eine ganz private Frage: Welches Buch lesen Sie gerade?
Ich muss ja gestehen, dass ich gerade ein Buch lese, das da heißt: Rilkes Frauen. Ich habe den Autor vergessen, aber ich mag Rilke sehr gerne. Ich lese Dichtung sehr gerne, und zwar nicht nur arabische, auch wenn das mein Steckenpferd ist – ich habe ja in arabischer Dichtung promoviert.
Zum Abschluss möchten wir Sie bitten, den Studenten am Orientalischen Institut einen Ratschlag für das Studium zu geben.
Man sollte von Anfang an versuchen, sich die Grundlagen für alle Fachbereiche anzueignen. Zusätzlich: Lesen, lesen, lesen. Nebenbei sollte man natürlich viel mitnehmen an aktuellen Diskussionen, ins Internet schauen, Veranstaltungen besuchen – und bei studentischen Initiativen wie dem Nahostforum oder Al-Ain mitmachen.
Außerdem sollte jeder ins Ausland gehen, auf welche Art auch immer. Man muss nicht immer ein Semester an einer Universität verbringen, man kann auch ganz andere Sachen machen, Projekte oder Praktika. Man sollte auch unbedingt reisen, später hat man nicht mehr die Möglichkeit dazu.
Außerdem Fragen stellen – es gibt keine banalen Fragen!
Das Interview führten Undine Ott und Christopher Resch.
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